BL-Archiv hilft gegen Erinnerungslücken
Zuerst ließ sich der stellvertretende Ortsbürgermeister Olaf Ehlers zu der Aussage verleiten, wir hätten längst eine Gedenktafel an der Muna, wenn es 1983 einen entsprechenden Antrag gegeben hätte. Dadurch entstand der Eindruck, die BL habe sich diesen Antrag im Nachhinein ausgedacht. Doch wir konnten und können den Eingangsstempel des Antrages vorlegen. Auch ein Zeitungsausschnitt belegt, dass das Thema schon vor über 30 Jahren Thema im Gemeinderat war.
Nach unser Auffassung muss das Protokoll der Ortsratssitzung korrigiert beziehungsweise um den wahren Sachverhalt ergänzt werden. Doch statt sich zu entschuldigen, stolperte Ortsbürgermeister Bernd Krüger in die nächste Peinlichkeit. Das zeigt das offizielle Protokoll der letzten Ortsratssitzung, in dem es heißt:
Herr Krüger teilt mit, dass er einen Brief von Herrn Otte erhalten hat. Herr Otte teilt in diesem Brief mit, dass 1983 ein Antrag auf Errichtung des Mahnmals an den Gemeinderat gestellt wurde. Was dort aus dem Antrag wurde, kann heute nicht mehr nachvollzogen werden, da es keine Zeugen und Aufzeichnungen mehr gibt.
Auch das ist mal wieder voll daneben. Zeugen gibt es mehrere. Und als Aufzeichnung findet sich folgender Text der Basisgruppe. Wir stellen ihn jetzt hier ins Internet.
Hang zur „Andersartigkeit“
Ein merkwürdiges Lehrstück in Sachen Demokratieverständnis spielt sich zurzeit in Lehre ab. Die Vorgeschichte: Auf seiner Ratssitzung im Dezember ’83 beschließt der Gemeinderat mit Mehrheit, einen Antrag der Basisgruppe – „Anbringen einer Gedenktafel für die Opfer des Nationalsozialismus in Lehre“ – an den Ortsrat Lehre und den Jugend-, Sport- und Kulturausschuß zu überweisen. Der Ortsrat Lehre tagt mehrere Male, aber der Punkt taucht nicht auf der Tagesordnung auf. Ein Gespräch mit dem Gemeindedirektor fördert die erstaunliche Tatsache zu Tage, daß der Ortsbürgermeister von Lehre sich weigert, über den Punkt zu beraten. Auch direkte Gespräche mit Lehres Ortsbürgermeister bewirken nicht, daß der Punkt auf der Tagesordnung erscheint.
Auf der Ortsratssitzung Anfang September (1984 – Anm. d. Verf.) stellten wir daher einige Fragen an den Ortsbürgermeister. Die Debatte nahm sehr schnell emotionale und polemische Formen an: Lehres Ortsbürgermeister bescheinigte dem BL-Ratsherrn u.a. einen „Hang zur Andersartigkeit“, was immer das sein mag. Was war geschehen? Hatte sich der Ortsbürgermeister zunächst auf formale Gründe für die Nichtberatung des Punktes zurückgezogen, so erklärte er nach der Aufforderung durch den BL-Ratsherrn, inhaltlich zu dem Problem Stellung zu beziehen: „Wir sollten nicht immer an den Schuldgefühlen der deutschen Mitbürger herumwühlen. Wir sollten unsere Schulgefühle vergessen.“ Zugleich schilderte er persönliche Erfahrungen aus dem Krieg. Und: „Das können Sie veröffentlichen.“
Mittlerweile hat der Gemeindedirektor auf Anfrage erklärt, daß sich der Jugend-, Sport- und Kulturausschuss auf seiner nächsten Sitzung mit dem Antrag befassen werde. Wir werden weiter darüber berichten, wie in Lehre mit Mehrheitsbeschlüssen des demokratisch gewählten Gemeinderates umgegangen wird.
Soweit die BL im Jahre 1984. Ortsbürgermeister war Bruno Wiegmann (CDU).
Fundstelle: Gemeindezeitung Lehrscher Bote, Oktober 1984.