Archive für den Monat: Juli, 2015

BL-Archiv hilft gegen Erinnerungslücken

Zuerst ließ sich der stellvertretende Ortsbürgermeister Olaf Ehlers zu der Aussage verleiten, wir hätten längst eine Gedenktafel an der Muna, wenn es 1983 einen entsprechenden Antrag gegeben hätte. Dadurch entstand der Eindruck, die BL habe sich diesen Antrag im Nachhinein ausgedacht. Doch wir konnten und können den Eingangsstempel des Antrages vorlegen. Auch ein Zeitungsausschnitt belegt, dass das Thema schon vor über 30 Jahren Thema im Gemeinderat war.

Nach unser Auffassung muss das Protokoll der Ortsratssitzung korrigiert beziehungsweise um den wahren Sachverhalt ergänzt werden. Doch statt sich zu entschuldigen, stolperte Ortsbürgermeister Bernd Krüger in die nächste Peinlichkeit. Das zeigt das offizielle Protokoll der letzten Ortsratssitzung, in dem es heißt:

Herr Krüger teilt mit, dass er einen Brief von Herrn Otte erhalten hat. Herr Otte teilt in diesem Brief mit, dass 1983 ein Antrag auf Errichtung des Mahnmals an den Gemeinderat gestellt wurde. Was dort aus dem Antrag wurde, kann heute nicht mehr nachvollzogen werden, da es keine Zeugen und Aufzeichnungen mehr gibt.

Auch das ist mal wieder voll daneben. Zeugen gibt es mehrere. Und als Aufzeichnung findet sich folgender Text der Basisgruppe. Wir stellen ihn jetzt hier ins Internet.

Hang zur „Andersartigkeit“

Ein merkwürdiges Lehrstück in Sachen Demokratieverständnis spielt sich zurzeit in Lehre ab. Die Vorgeschichte: Auf seiner Ratssitzung im Dezember ’83 beschließt der Gemeinderat mit Mehrheit, einen Antrag der Basisgruppe – „Anbringen einer Gedenktafel für die Opfer des Nationalsozialismus in Lehre“ – an den Ortsrat Lehre und den Jugend-, Sport- und Kulturausschuß zu überweisen. Der Ortsrat Lehre tagt mehrere Male, aber der Punkt taucht nicht auf der Tagesordnung auf. Ein Gespräch mit dem Gemeindedirektor fördert die erstaunliche Tatsache zu Tage, daß der Ortsbürgermeister von Lehre sich weigert, über den Punkt zu beraten. Auch direkte Gespräche mit Lehres Ortsbürgermeister bewirken nicht, daß der Punkt auf der Tagesordnung erscheint.

Auf der Ortsratssitzung Anfang September (1984 – Anm. d. Verf.) stellten wir daher einige Fragen an den Ortsbürgermeister. Die Debatte nahm sehr schnell emotionale und polemische Formen an: Lehres Ortsbürgermeister bescheinigte dem BL-Ratsherrn u.a. einen „Hang zur Andersartigkeit“, was immer das sein mag. Was war geschehen? Hatte sich der Ortsbürgermeister zunächst auf formale Gründe für die Nichtberatung des Punktes zurückgezogen, so erklärte er nach der Aufforderung durch den BL-Ratsherrn, inhaltlich zu dem Problem Stellung zu beziehen: „Wir sollten nicht immer an den Schuldgefühlen der deutschen Mitbürger herumwühlen. Wir sollten unsere Schulgefühle vergessen.“ Zugleich schilderte er persönliche Erfahrungen aus dem Krieg. Und: „Das können Sie veröffentlichen.“

Mittlerweile hat der Gemeindedirektor auf Anfrage erklärt, daß sich der Jugend-, Sport- und Kulturausschuss auf seiner nächsten Sitzung mit dem Antrag befassen werde. Wir werden weiter darüber berichten, wie in Lehre mit Mehrheitsbeschlüssen des demokratisch gewählten Gemeinderates umgegangen wird.

Soweit die BL im Jahre 1984. Ortsbürgermeister war Bruno Wiegmann (CDU).
Fundstelle: Gemeindezeitung Lehrscher Bote, Oktober 1984.

Wendhausen – die vergessene Grafschaft
Oder: Wie kriminell dürfen die Namensgeber für Straßen sein?

Auch Kommunalpolitiker haben so ihre Vorbilder und Ideale. Bei Straßenbenennungen können sie zeigen, ob sie sich beispielsweise eher an höfischem Adel erfreuen oder an demokratischen Tugenden orientieren. Besonders schwierig wird es, wenn der Name auch noch einen Bezug zum Ort haben soll und man deshalb nicht einfach Sepp Blatter oder Hans Filbinger nehmen kann. Die Mehrheit des Ortsrates Wendhausen entschied sich jetzt bewusst für einen Namensgeber, der schon zu Lebzeiten nicht nur wegen seiner Prachtliebe und seines Ehrgeizes als unmöglich galt.

Konrad Detlev von Dehn (1688-1753) wurde – was für eine Leistung! – dank eines offenbar cleveren Ehevertrages Alleinerbe des Schlosses und Gutes in Wendhausen. Er wird in Wikipedia mit Günstlings- und Misswirtschaft und Unterschlagung in Verbindung gebracht. Über deren Ausmaß kursierten zu Dehns Lebzeiten Spottverse. Der verschrieene Graf wurde 1730 aus dem Staatsdienst entlassen. Schließlich musste er sogar das Land verlassen. Seine Geliebte ließ Dehn in den Kerker sperren, nachdem sie ihm zu unbequem geworden war.

Lehres Ratsmitglieder haben nun die freie Auswahl. Sie können den Ortsrats- Vorschlag aus Wendhausen nebst dem Grafen möglichst schnell vergessen. Sie können die Straße „Zum Kerker“ oder „Zum verspotteten Adel“ nennen.
Am besten wäre es, zu Unrecht vergessene Demokratinnen und Demokraten aus Wendhausen zu ehren. Noch immer fehlt eine Erinnerung an den ersten Nachkriegsbürgermeister von Wendhausen, Fritz Brandes. Der aufrechte Demokrat, der von den Nazis im Frühjahr 1933 in sogenannter „Schutzhaft“ misshandelt wurde, war zugleich der erste freigewählte Landrat des ehemaligen Landkreises Braunschweig.

Braunschweigische Landschaft soll Muna-Gedenktafel ermöglichen

Die Muna-Gedenktafel soll jetzt von der Braunschweigischen Landschaft finanziert und aufgestellt werden.
Die Idee dazu hatte Manfred Laube aus Lehre. Bürgermeister Klaus Westphal nahm daraufhin ebenfalls Kontakt zu der „Braunschweigischen Landschaft e.V.“ auf. Beide sind hoffnungsvoll, dass die Tafel 2016 aufgestellt werden kann. Der Ortsrat stimmte diesem Weg am 29. Juni zu.

Träger des Vereins „Braunschweigische Landschaft“ sind die Landkreise Helmstedt, Wolfenbüttel und Peine und die Städte Salzgitter, Wolfsburg und Braunschweig.
Der Ortsrat befasst sich seit unserem erneuten Antrag (der erste stammt aus dem Jahre 1983) vom Dezember 2013 mit diesem Thema.

Ortsbürgermeister Krüger ließ sich am 29. Juni vom Ortsrat zunächst 50 Euro für eine Genehmigung des Schildes erstatten. Dieses Geld geht an den Landkreis Helmstedt. Des weiteren lagen Kostenvoranschläge eines Steinmetzes vor und ein Textvorschlag für die Tafel. Der Text beginnt mit einem groben Grammatikfehler. Es heiß dort: Zum Gedenken der Opfer….
Damit würden in Lehre nicht wir an die Opfer der Zwangsarbeit denken, sondern die Opfer wären es, die hier die Gedenkarbeit leisteten.

Ortsbürgermeister Krüger sagte der Presse: „Wir sparen die Kosten und der Verein hat Erfahrung mit der Aufstellung von Gedenktafeln.“ Unter Leitung des Ortsbürgermeisters beschloss der mit fünf Teilnehmenden gerade beschlussfähige Ortsrat 600 Euro für das Schützenfest zu spendieren. Das Geld geht an den Schützenverein, dessen Vorsitzender Krüger ist.

Die Prioritäten Lehrscher Kommunalpolitik wurden wieder einmal deutlich. Insofern kann es nur von Vorteil sein, wenn der Ortsrat möglichst wenig Einfluss auf die Tafel hat. Die seit April gespendeten Gelder für die Tafel kommen jetzt nicht in die Kasse der Gemeinde, sondern werden von der Braunschweigischen Landschaft eingesetzt.

Im Protokoll einer Ortsratssitzung war der falsche Eindruck entstanden, die Basisgruppe schreibe die Unwahrheit, wenn sie darauf hinweise, dass der erste Antrag für eine Muna-Gedenktafel bereits 1983 gestellt worden sei. Auf die Korrektur des Protokolls und auf die Entschuldigung des Ortsrates warten wir weiterhin.

Leserbrief 1

Warten auf den Radwegeplan
(ein leider nicht veröffentlichter Leserbrief)

Während alle Fusionsdebatten offensichtlich scheitern und alle Gutachten nur noch langweilen, zeigt die gelungene Radtour mit zahlreichen Teilnehmern – darunter die Oberbürgermeister von Braunschweig und Wolfsburg – nach Lehre wie man auch auf weniger bekannten Wegen vorankommt. Ein wenig abstrampeln genügt.

Lehres Bürgermeister erhielt von den Organisatoren der Fahrradtour ein sehr symbolträchtiges Geschenk: Wegweiser nach Braunschweig 14,5 km und Wolfsburg 15,5 km. An einen Wegweiser in die Kreisstadt nach Helmstedt dachte hier niemand.

Die gute Idee der Annäherung durch Radfahren ist nicht ganz neu. Nicht nur im Jahr 1996 erinnerte unsere Wählergemeinschaft Basisgruppe Lehre die Politiker an die Notwendigkeit eines Radwegeplans für Lehre und Umgebung. Inzwischen dürfte bekannt sein, dass in Lehre manches etwas länger dauert, aber vielleicht bringt uns ja die öffentlichkeitswirksame Unterstützung unserer direkten Nachbarn schneller voran.

Uwe Otte, Lehre

Leserbrief 2
(ebenfalls nicht veröffentlicht)

Missglückte Berichterstattung

Die Berichterstattung über die Ortsratssitzung in Lehre ist zum
Tagesordnungspunkt Gedenktafel leider völlig missglückt. Der Ortsrat folgte zu diesem Punkt einem Vorschlag des Bürgermeisters Klaus Westphal, der mit der von den Kommunen der Region getragenen Braunschweigischen Landschaft e.V. die Gedenktafel für die Opfer der Zwangsarbeit realisieren will. Die in dem Artikel gewählte Formulierung „Projekt Braunschweiger Land“ ist offenbar frei erfunden und ein Zeichen der Unkenntnis. Es hätte sich gelohnt, nach der Sitzung nachzufragen und nicht nur zu Beginn den Ortsbürgermeister zu fotografieren.
Manfred Laube, Lehre