Wendhausen – die vergessene Grafschaft
Oder: Wie kriminell dürfen die Namensgeber für Straßen sein?

Auch Kommunalpolitiker haben so ihre Vorbilder und Ideale. Bei Straßenbenennungen können sie zeigen, ob sie sich beispielsweise eher an höfischem Adel erfreuen oder an demokratischen Tugenden orientieren. Besonders schwierig wird es, wenn der Name auch noch einen Bezug zum Ort haben soll und man deshalb nicht einfach Sepp Blatter oder Hans Filbinger nehmen kann. Die Mehrheit des Ortsrates Wendhausen entschied sich jetzt bewusst für einen Namensgeber, der schon zu Lebzeiten nicht nur wegen seiner Prachtliebe und seines Ehrgeizes als unmöglich galt.

Konrad Detlev von Dehn (1688-1753) wurde – was für eine Leistung! – dank eines offenbar cleveren Ehevertrages Alleinerbe des Schlosses und Gutes in Wendhausen. Er wird in Wikipedia mit Günstlings- und Misswirtschaft und Unterschlagung in Verbindung gebracht. Über deren Ausmaß kursierten zu Dehns Lebzeiten Spottverse. Der verschrieene Graf wurde 1730 aus dem Staatsdienst entlassen. Schließlich musste er sogar das Land verlassen. Seine Geliebte ließ Dehn in den Kerker sperren, nachdem sie ihm zu unbequem geworden war.

Lehres Ratsmitglieder haben nun die freie Auswahl. Sie können den Ortsrats- Vorschlag aus Wendhausen nebst dem Grafen möglichst schnell vergessen. Sie können die Straße „Zum Kerker“ oder „Zum verspotteten Adel“ nennen.
Am besten wäre es, zu Unrecht vergessene Demokratinnen und Demokraten aus Wendhausen zu ehren. Noch immer fehlt eine Erinnerung an den ersten Nachkriegsbürgermeister von Wendhausen, Fritz Brandes. Der aufrechte Demokrat, der von den Nazis im Frühjahr 1933 in sogenannter „Schutzhaft“ misshandelt wurde, war zugleich der erste freigewählte Landrat des ehemaligen Landkreises Braunschweig.